Sicherung ist Sicherung. Oder nicht? Wir wissen, dass eine Sicherung auslöst, wenn eine bestimmte Stromstärke überschritten wird. So sind wir vor Elektroschock und Bränden durch überhitzte Kabel geschützt. Aber manche Sicherungen schützen uns vor einer noch größeren Gefahr. In diesem Artikel erklären wir die potentiellen Gefahren bei der Spannungs- und Strommessung, die mit einem Prüfgerät durchgeführt werden, dessen Sicherung nicht den für das Prüfgerät geltenden Schutzbestimmungen entspricht – Gefahren, die zu schweren Verbrennungen und möglicherweise zum Tod führen können.
Warum braucht ein Prüfgerät Sicherungen?
Im Handel ist eine große Auswahl an Prüfgeräten erhältlich, angefangen bei einfachen Spannungsprüfern bis zu hochmodernen Digitalmultimetern. Prüfgeräte, mit denen Spannungsmessungen durchgeführt werden, verfügen über eine hohe Eingangsimpedanz, bei der Überstromsituationen unwahrscheinlich sind. Daraus folgt, dass eine Messeingangsspannung grundsätzlich nicht auf Sicherungsschutz sondern auf Überspannungsschutz ausgelegt sind. Wenn aber das gleiche Prüfgerät auch für Strommessungen vorgesehen ist, wird eine Sicherung benötigt. Bei Strommesseingängen fließt der gemessene Strom meistens durch einen einfachen Shunt. Der Widerstand des Shunts liegt generell im Bereich von 0,01 Ohm. Hinzu kommt der Widerstand der Messleitungen (ca. 0,04 Ohm) und es entsteht ein Kurzschluss von weniger als 0,1 Ohm. Dieser Widerstand reicht aus, wenn Kurzschluss und eine andere Last zur Messung des Stromkreises in Serie geschaltet sind. Es sieht aber ganz anders aus, wenn dieser Kreis über eine Spannungsquelle wie zum Beispiel eine Steckdose im Wohnzimmer angebracht wird. Dies ist ein Fehler, der oft von Personen gemacht wird, die sowohl Spannung als auch Strom messen. Nachdem die Strommessung durchgeführt wurde, wird versucht, eine Spannungsmessung vorzunehmen, aber der Benutzer hat vergessen, dass sich die Messleitungen noch in den Strombuchsen befinden. Auf diese Weise wird ein Kurzschluss an der Spannungsquelle erzeugt. Vor Jahren, als Analogmessgeräte die einzigen Geräte zur Durchführung dieser Messungen waren, bewirkte dieser Fehler mehr oder weniger, dass die Messbewegung (die Nadel wickelte sich um den oberen Stecker) permanent gestört wurde, ganz zu schweigen von den internen Schaltkreisen. Zum Schutz vor diesem verbreiteten Phänomen begannen die Hersteller von Prüfgeräten, eine Sicherung und die Messleitungsbuchsen in Serie zu schalten und erreichten damit eine preisgünstige und wirkungsvolle Lösung für ein einfaches Problem. Heute ist es bei den meisten Herstellern üblich, ihre Prüfgeräte mit einem Sicherungsschutz in den Strommessungskreisen auszustatten. Mit fortschreitender technologischer Entwicklung hat sich auch das Design von Sicherungen verändert. Obwohl die Wichtigkeit von Sicherungen bei Prüfgeräten von den Entwicklern berücksichtigt wird, werden die Auswirkungen eines Sicherungssystems bei den meisten Benutzern von Prüfgeräten in der Regel vernachlässigt. Wenn Sie den einfachen Fehler begehen, Spannung an den Strombuchsen anzulegen und die Sicherung löst aus, sind Sie vielleicht glücklich, dass das Prüfgerät noch intakt ist. Vielleicht ärgern sie sich jedoch darüber, dass sie eine neue Sicherung auftreiben und einsetzen müssen, bevor sie ihre nächste Strommessung durchführen. Noch ärgerlicher ist, wenn Sie Prüfgeräte mit anderen Personen in Ihrer Werkstatt teilen und ein Kollege lässt eine Sicherung durchbrennen, legt das Prüfgerät an seinen Platz zurück und das Problem wird von einem nichtsahnenden Benutzer entdeckt.
Wann wird das Prüfgerät zur Granate?
Ein Hersteller gibt in seinem Benutzerhandbuch und oftmals auch auf dem Prüfgerät die Spezifikation für Amperezahl, Unterbrechung und Spannung für die Ersatzsicherungen an. Wenn Sie eine Sicherung auswählen, die diesen Spezifikationen nicht entspricht, oder noch schlimmer, wenn Sie die Sicherungspole mit einem Draht verbinden, dann haben Sie, ob sie es glauben oder nicht, eine Thermohandgranate gebaut. Alles was Sie noch brauchen, sind die richtigen Voraussetzungen für deren Auslösung. Wahrscheinlich tritt keine Explosion auf, wenn Sie mit einem Drucker, Computer, Kopierer oder Geräten arbeiten, die über ihre eigene Stromversorgung verfügen (Überspannungskategorie CAT I). Sie könnten sogar Glück bei der Arbeit mit Abzweigleitungen haben (Überspannungskategorie CAT II) und die Granate geht nicht los. Diese beiden Umgebungsbedingungen arbeiten mit relativ niedriger Energie und verfügen oftmals über einen integrierten Sicherungsschutz, Leistungsschalter und Überstromschutz-Kreise. Trotzdem sollte man nicht unter diesen Voraussetzungen arbeiten und das Verfahren ist unsicher. Wenn Sie sich an ein elektrisches Energieverteilungssystem begeben (Überspannungskategorie CAT III) oder mit Hauptspeisungsleitungen (Überspannungskategorie CAT IV) arbeiten, ändern sich die Schutzkreise erheblich. In der Unterverteilung liegen Trennschalter zwischen Ihnen und Ihrer Stromversorgung, die mit hunderten Ampere anstatt mit Schutzschaltern von 15, 20 oder 30 Ampere in einer Abzweigleitung arbeiten. Bei der Spannungsmessung an der Eingangsseite eines Leistungsschalterfelds in einer Wohnung befindet sich der Schutz nun an einem Strommast oder Umspannwerk. Diese Leistungsschalter können vor der Auslösung tausende Ampere verkraften und es kann erheblich länger dauern, bis sie öffnen, als bei einem Abzweigschalter. Aus diesem Grund und wenn aus Versehen die Leitungen in den Strombuchsen verbleiben und Sie die Messgerätekabel an eine dieser Spannungsquelle ohne ein Prüfgerät mit geeigneter Sicherung anbringen, begeben Sie sich in Lebensgefahr.
Der Plasmafeuerball
Bei diesem Szenario entsteht der Kurzschluss aufgrund der falschen Sicherung (oder des Drahts um die Sicherungspole) und die Messleitungen werden durch einen beinahe unbegrenzten Energieschub gespeist. Das Metallelement in der Sicherung (bzw. der Draht) erhitzt sich sehr schnell und beginnt zu verdampfen. Dadurch entsteht eine kleine Explosion. Bei einer falschen Sicherung kann durch die Kraft der Explosion das Sicherungsgehäuse aufgesprengt werden und schon existiert ein unbegrenzter Sauerstoffvorrat, mit dem der Plasmafeuerball versorgt wird. Die Messleitungen können anfangen, zu schmelzen und Feuer und heißes Metall können sich sehr schnell über Ihre Hände, Arme, Ihr Gesicht und Ihre Kleidung verteilen. Die Schwere der Verletzungen hängt davon ab, wie lange das Messgerät der Energiezufuhr ausgesetzt ist, dem zur Verfügung stehenden Sauerstoff und ob Sicherheitsausrüstung wie Gesichtsschutz und dicke Handschuhe getragen werden. All dies ereignet sich in Millisekunden und man hat fast keine Zeit auf den Fehler zu reagieren. Wenn Sie Glück haben, reißt Sie der Schock von den Leitungen oder dem Messgerät weg und der Kreis wird unterbrochen. Auf sein Glück zu vertrauen ist jedoch ein zu hohes Risiko, vor allem wenn man das Problem im Vorfeld durch die Verwendung einer geeigneten Sicherung eliminieren kann.
Verwenden Sie eine geeignete Sicherung
Spezielle „Hochenergie“-Sicherungen sind dazu da, die durch solch einen elektrischen Kurzschluss erzeugte Energie innerhalb des Sicherungsgehäuses zu begrenzen und dadurch den Benutzer vor Elektroschock und Verbrennungen zu schützen. Diese Hochenergie-Sicherungen sind so konzipiert, dass sie die Zeit für die Energiezufuhr verkürzen und die für die Verbrennung vorhandene Sauerstoffmenge begrenzen. Sicherungen werden so konzipiert, dass sie nicht nur bei einer bestimmten gleichmäßigen Stromstärke öffnen, sondern auch bei der plötzlichen Zufuhr von Hochstrom. Dieser Hochstrom wird als „minimaler Abschaltstrom“ bezeichnet. Fluke verwendet in seinen Messgeräten Sicherungen mit einer Spezifikation für einen minimalen Abschaltstrom von 10.000 und 17.000 Ampere. Wenn Sie ein Messgerät mit der Überspannungskategorie CAT III 1.000 V mit Messleitungen in den Strombuchsen verwenden, bekommen Sie einen Serienwiderstand von ca. 0,1 Ohm (0,01 für den Shunt, 0,04 für die Messleitungen und 0,05 für die Sicherung und Leiterbahnverbindungen) zwischen den Leitungen. Wenn Sie nun die Leitungen versehentlich über einer Stromquelle mit 1.000 V anbringen, dann wird entsprechend dem ohmschen Gesetz eine Stromstärke von 10.000 Ampere (E/R = I, 1.000/0,1 = 10.000) erzeugt. Hierfür wird eine Sicherung benötigt, die den Strom unterbricht – und zwar schnell. Zusätzlich zu dem Spezial-Sicherungselement ist die Hochenergie-Sicherung mit Sand gefüllt. Der Sand absorbiert die Stoßenergie, die durch das explodierende Element generiert wird und schmilzt aufgrund der von der Energie erzeugten hohen Temperaturen (bis zu 5.538 °C) zu Glas. Das Glas beschichtet das Element und erstickt den Feuerball durch die Blockierung des zur Verfügung stehenden Sauerstoffs. Auf diese Weise wird das Messgerät nicht beschädigt und Sie bleiben unverletzt. Sie sehen also, dass nicht alle Sicherungen mit derselben Amperezahl und Spannungsspezifikation gleich sind. Aus Gründen der eigenen Sicherheit sollten Sie also darauf achten, dass Sie Sicherungen verwenden, die vom Entwickler des Messgeräts spezifiziert wurden. Schauen Sie stets im Benutzerhandbuch des Messgeräts nach oder wenden Sie sich an den Hersteller des Messgeräts, um sicherzustellen, dass die vorgeschriebene Sicherung verwendet wird. Sie können Ersatzsicherungen für Messgeräte von Fluke stets über die Teilenummer bestellen, die im Benutzerhandbuch des Messgeräts aufgeführt wird. Ihre Sicherheit ist mehr wert, als das Geld für den Erwerb der für das Messgerät vorgeschriebenen Sicherung.