Sicherheitsgrundlagen für die Messung bei Hybridfahrzeugen: Erfassen hoher Spannungswerte

Die Hybridfahrzeugtechnik mag noch in den Kinderschuhen stecken, gewinnt aber stetig an Bedeutung. Alle größeren PKW- und LKW-Hersteller entwickeln derzeit Hybridmodelle. Die Hybridtechnik ist ein Sprungbrett zu fortschrittlichen Komponenten mit Elektroantrieb, die sowohl in Fahrzeugen mit Wasserstoffbrennstoffzellen als auch in reinen Elektrofahrzeugen Verwendung finden werden. Hybridfahrzeuge sind derzeit schon wesentlich komplexer und technisch ausgefeilter als gewöhnliche Autos oder Lastkraftwagen.

Dies zeigt sich am deutlichsten im Vergleich der Stromkreise hybrider und nicht hybrider Fahrzeuge. Während die Elektrik eines konventionellen Fahrzeug fast ausschließlich bei einer Spannung zwischen 12 und 14 Volt betrieben wird, können in Hybridfahrzeugen über fünf mal so hohe Werte mit einer Bandbreite zwischen 12 und 650 Volt erreicht werden. Es werden Gleichstrom und Wechselstrom verwendet, und variable Spannungen sind durchaus gängig.

Hybridfahrzeuge sind so konzipiert, dass Messungen von Stromkreisen mit hoher Spannung im Betrieb kaum erforderlich sind. Allerdings kann man auch immer wieder beobachten, dass erfahrene Hybridfahrzeugtechniker genau das tun müssen. Auch wenn Artikel wie dieser lediglich als Ergänzung der Informationen zum Service vom Hersteller gedacht sind, sollten an dieser Stelle allgemeine Sicherheitsvorkehrungen genannt werden, die ein professioneller Techniker im Umgang mit Hochspannungsstromkreisen berücksichtigen sollte.

Im Rahmen des vorliegenden Artikels werden unter einer Hochspannung Stromkreisspannungen von über 50 Volt verstanden. Auch wenn die Hochspannungssysteme (HV) der meisten Hybridfahrzeuge in der Regel zur Durchführung routinemäßiger Wartungen nicht deaktiviert werden müssen, sind sie abzuschalten, bevor Hochspannungskabel oder -komponenten getrennt oder entfernt werden. Es kann beispielsweise hilfreich sein, HV-Komponenten vor der Diagnose eines Erdungsfehlers am Hybridfahrzeug zu trennen. Für solche Arbeiten ist ein Milliohmmeter oder Isolationsmessgerät erforderlich, auf das in einem weiteren Artikel näher eingegangen wird.

Potenziell gefährliche elektrische Stromstärken können von den folgen vier Arten Hybridkomponenten ausgehen: (1) dem Hochspannungsakku, (2) den Kondensatoren innerhalb der Gleichrichterbaugruppe des Fahrzeugs, (3) dem Elektromotor oder den Motoren, die auch Motor-Generatoren genannt werden, sowie (4) den meist orangefarbenen Hochspannungskabeln, über die diese Komponenten verbunden sind.

Zu den gängigsten Messdaten eines Fahrzeug-Hochspannungssystems zählt der Spannungswert, der nach Abschalten der Anlage erfasst wird, um zu prüfen, dass sie ordnungsgemäß heruntergefahren wurde. Im Folgenden sollen die Schritte erörtert werden, die im Allgemeinen erforderlich sind, um sicherzustellen, dass das HV-System eines Hybridfahrzeugs sicher abgeschaltet wurde.

Vorbereitung

Ein direkte Messung von Stromkreisen mit potenziell vorhandener hoher Spannung und Stromstärke muss planmäßig und zielgerichtet erfolgen. Auch wenn zu erwarten ist, dass während des folgenden Vorgangs (sofern das System ordnungsgemäß abgeschaltet wurde und fehlerfrei ist), keine oder fast keine Spannung vorzufinden ist, müssen Sie immer mit der Möglichkeit rechnen, dass der Stromkreis doch aktiv ist. Informieren Sie Andere, wenn Sie an Hochspannungsstromkreisen arbeiten. Legen Sie sämtlichen Schmuck und sonstige metallischen Gegenstände beiseite, die aus einer Tasche fallen können.

Drehen Sie den Zündschlüssel des Fahrzeugs in die AUS-Stellung und ziehen Sie den Schlüssel ab. Falls das Fahrzeug über eine schlüssellose Startfunktion verfügt, deaktivieren Sie diese und sorgen Sie dafür, dass sich der Schlüsselanhänger außerhalb des Fahrzeugbereichs befindet. Trennen Sie die konventionelle 12-V-Blei-Säure-Batterie des Fahrzeugs. Bevor Sie fortfahren, halten Sie die vorgeschriebene Wartezeit ein – dies können je nach OEM-Anforderungen bis zu zehn Minuten sein – bis die Hochspannungskondensatoren des Systems vollständig entladen sind.

Um die Hochspannungsschaltkreise vollständig abzuschalten oder zu isolieren, benötigen Sie:

  1. ein Verständnis der vom Hersteller genehmigten Abschaltverfahren für das Hochspannungssystem des jeweiligen zu wartenden Fahrzeugs
  2. ein Paar einwandfreie, für mindestens 1000 Volt Wechselstrom zugelassene Gummi- oder Synthetikgummi-Isolierhandschuhe (Klasse 0);
  3. ein auf mindestens 1000 Volt, CAT III oder CAT IV zugelassenes Digitalmultimeter und
  4. auf mindestens 1000 Volt, CAT III oder CAT IV zugelassene elektrische Leitungen, die zudem mit mindestens einer isolierten Krokodilklemme ausgestattet sind.

Die Kfz-Multimeter 88 und 1587 und die Leitungen von Fluke sind für 1000 Volt, CAT III und CAT IV zugelassen. Handschuhe, Messgeräte und Leitungen müssen für einen Spannungswert zugelassen sein, der höher ist als die höchste Spannung, die Sie messen wollen. Gummi-Isolierhandschuhe sind vor jeder Verwendung gemäß den Angaben des Herstellers zu prüfen und in regelmäßigen Abständen zu testen. Die meisten Handschuhhersteller empfehlen zudem aus Sicherheitsgründen das Tragen eines zusätzlichen Lederschutzes über den Isolierhandschuhen oder schreiben diesen vor.

Da alle Abschaltmechanismen in Hybridfahrzeugen direkt mit Hochspannungskabeln verbunden sind, müssen beim Entfernen von HV-Servicesteckern (Ford, Toyota, Lexus) oder beim Abschalten des HV-Sicherheitsschalters (Honda) Isolierhandschuhe getragen werden.

Nach der Prüfung, ob der Zündschlüssel des Fahrzeugs abgezogen ist, die schlüssellose Startfunktion (falls vorhanden) deaktiviert und die 12-V-Batterie getrennt wurde, ziehen Sie in der Regel entsprechend der Herstellerspezifikationen ein Paar Gummi-Isolierhandschuhe an und trennen dann das HV-System des Fahrzeugs, indem Sie entweder einen Servicestecker abziehen oder einen Sicherheitsschalter in die Position OFF drehen. Durch Trennen der 12-V-Batterie des Fahrzeugs stellen Sie sicher, dass der HV-Akkusatz durch ein ordnungsgemäß funktionierendes System mechanisch isoliert wird, bis die 12-V-Batterie wieder angeschlossen wird.

Wenn das Fahrzeug ordnungsgemäß abgeschaltet wurde und keine Fehler in der Elektrik vorliegen:

  • wird von den Motor-Generatoren keine Spannung erzeugt, da diese sich nicht mechanisch drehen und diese keinen Zugang zu externen Stromquellen haben
  • ist an den Kondensatoren kein Strom verfügbar, der während des vorgeschriebenen Zeitintervalls entladen wurde
  • liegt kein Strom an den Hochspannungskabeln des Fahrzeugs an, ABER:
  • der HV-Akku des Fahrzeugs bleibt aufgeladen und ist daher weiter eine potenzielle Stromquelle, obwohl er vom Rest des Systems getrennt ist

Sobald alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt sind, wird in den Informationen zum Service vom Hersteller direkt auf einen Spannungswert mit einem geeigneten Messgerät verwiesen, um sicherzustellen, dass alle Hochspannungsquellen isoliert oder entladen wurden.

Auslesen eines Messwerts

Wenn das Hochspannungssystem des Fahrzeugs ordnungsgemäß heruntergefahren wurde und Sie die Isolierhandschuhe angezogen haben, kann der Spannungswert erfasst werden. Schalten Sie vorher das Messgerät ein, wählen Sie „Volt DC“ aus, und prüfen Sie, ob das Messgerät funktioniert, indem Sie eine bekannte Niederspannungsstromquelle wie die 12-V-Batterie des Fahrzeugs messen. Fehlerhafte Messgeräte können falsche „Nullspannungs“-Werte erzeugen!

Da die Hochspannungsstromkreise von der Fahrwerkerde isoliert sind, werden die Messwerte direkt an den HV-Anschlüssen ausgelesen. Die Informationen zum Service vom Hersteller enthalten Anweisungen dazu, was an welcher Stelle gemessen werden soll. Der Messwert wird meist an den „normalerweise ausgeschalteten“ HV-Sicherheitsrelais erfasst, welche den HV-Akkusatz mit dem Rest des Systems verbinden. Wenn jedoch für Wartungsarbeiten Hochspannungskabel offengelegt oder getrennt werden müssen, müssen Sie sicherstellen, dass keine Spannung vorhanden ist, indem Sie einen Messwert zwischen den HV-Kabelenden und zwischen jedem HV-Kabelende und der Fahrzeugerdung ablesen.

In der Arbeit unter Hochspannung erfahrene Mitarbeiter wenden bei der Arbeit an einem Hochspannungsstromkreis meist die „Eine-Hand-Regel“ an. Das bedeutet, dass immer nur mit einer Hand an Hochspannungsstromkreisen gearbeitet werden kann. Hierdurch soll das Stromschlagrisiko reduziert werden, das von dem durch den Mitarbeiter geleiteten Strom ausgeht, welches auch zu Herzstillstand führen kann. Eine solche Maßnahme bietet zusätzlichen Schutz zu den bereits verwendeten Gummi-Isolierhandschuhen.

Um die „Eine-Hand-Regel“ bei einer direkten Messung des Hochspannungsschaltkreises einhalten zu können, muss mindestens eine elektrische Leitung mit einer isolierten Krokodilklemme ausgestattet sein. Verbinden Sie die Leitung mit der Krokodilklemme einhändig mit einem der Stromkreis-Anschlüsse, und stellen Sie einen Kontakt zwischen der Leitung und einem anderen Anschluss her, um die Messung vorzunehmen. Eine Leitung oder die Fahrzeugerdung darf immer nur mit einer Hand gehalten oder berührt werden.

Legen Sie den Tastkopf an Hochspannungssteckverbindern nicht erneut an, da diese hierdurch beschädigt werden. Verwenden Sie keine Sprays (einschließlich Reinigungssprays) in Hochspannungsstromkreisen, da hierdurch die Luft um den Schaltkreis unter Spannung gesetzt und dadurch leitfähig gemacht werden kann. Denken Sie daran, dass das Lichtbogenpotenzial bei einem 600-Volt-Stromkreis erheblich höher ist als bei einem 12-Volt-Stromkreis. Isolieren Sie getrennte offenliegende Hochspannungsanschlüsse sofort mit Isolierband.

Alles wieder zusammensetzen

Hochspannungsanschlüsse, die per Gewindebolzen oder -mutter gesichert wurden, sind mit dem vom Hersteller angegebenen Drehmoment festzuziehen. Die Qualität des elektrischen Anschlusses und dessen Korrosionsbeständigkeit ist vom passenden Drehmoment abhängig.

Prüfen Sie, dass Sie kein Teil oder Werkzeug in dem Bereich, in dem Sie gerade arbeiten, liegengelassen haben. Wenn das Hochspannungssystem (HV) eines Fahrzeug über einen abnehmbaren Servicestecker verfügt, achten Sie darauf, dass dieser sicher und korrekt sitzt, wenn Sie ihn wieder anbringen. Schließen Sie die 12-V-Batterie erst dann wieder an, wenn der HV-Servicestecker oder -schalter des Fahrzeugs wieder in seiner ursprünglichen Position ist und alle entfernten Zugangsabdeckungen wieder aufgesetzt wurden.

Sobald das Fahrzeug wieder zusammengesetzt und die 12-V-Batterie wieder angeschlossen ist, starten Sie es und schauen Sie nach Codes und/oder dem Status READY. Einige Hybridsysteme geben Codes immer aus, wenn das System gestört oder abgeschaltet wurde. Diese Codes müssen Sie ggf. löschen und anschließend prüfen, ob sie noch vorhanden sind. Starten Sie, sofern erforderlich, elektrische Systeme wie elektrische Fensterheber. Machen Sie mit dem Fahrzeug eine Probefahrt, um zu prüfen, ob es ordnungsgemäß funktioniert. Überprüfen Sie zum Abschluss Ihre Isolierhandschuhe auf Beschädigungen, bevor Sie sie weglegen.

Zur Erinnerung

Die sichere Messung von Hochspannungs- und Hochstromkreisen erfordert Disziplin und Problembewusstsein. Abkürzungen sind unzulässig: Es müssen die richtigen Verfahren angewendet und die richtigen Ausrüstungsgegenstände eingesetzt werden. Denken Sie daran, dass nach Abschalten des Fahrzeugs im ersten Schritt des Hochspannungsmessverfahrens die 12-V-Batterie getrennt und im letzten Schritt vor dem erneuten Start des Fahrzeugs wieder angeschlossen wird.

Nehmen Sie sich genügend Zeit, um Verfahren zur sicheren Messung von Hochspannungen auszuarbeiten, bevor Sie sich an die Hybridtechnik heranwagen, denn damit schaffen Sie die Grundlagen für ein konkurrenzfähiges und rentables Kompetenzpaket, von dem Sie in Zukunft profitieren werden.

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